Buch

Übersicht

    Leseprobe

    PROLOG

    „Er ist ein Insider. Er kann euch dorthin führen.“ Der Mann befüllt weiter seine Kanister mit Quellwasser, ohne den Blick zu heben. Trotz der Hitze eines hochsommerlichen Tages trägt er eine weite schwarze Pluderhose, in die ein ebenso schwarzes langärmeliges Hemd gesteckt ist. Ein weißes, gestricktes Scheitelkäppchen bedeckt den kahlgeschorenen Schädel. Er dreht sich zu uns um. Auf seiner Stirn glänzen einzelne Schweißperlen, die von großen buschigen Augenbrauen aufgefangen werden. Ein über die Mundwinkel gezogener Schnurrbart gibt ihm ein väterliches Aussehen. Er wendet sich an Akram, unseren Fahrer. „Bring sie hin!“ Wir schauen uns an und sehen das innerliche Beben des anderen. Sollte sich hier und heute unsere Sehnsucht erfüllen, einen der letzten Geheimplätze der Welt aufzuspüren? Wir steigen ins Auto und vertrauen uns Akram an. Er gehört dazu. Im Libanon ist alles eine Frage der Zugehörigkeit. Wo kommst Du her, was glaubst Du, wen kennst Du? Von Galiläa bis Syrien, von den Bergen bis ans Meer, zu jedem Zeitpunkt unserer Reise – selbst hier im unwegsamen Gebirgsland des Chouf – wird klar: Es liegt in Deiner Wiege oder nicht. 

    Wir fahren weiter durch Barouk, den letzten bewohnten Ort des südlichen Libanongebirges, von dessen Gipfeln sich die immer enger werdende Straße durch die Hochebene der Bekaa bis ins nahe Syrien schlängelt. Doch unser Ziel liegt in diesen Bergen, deren Kämme sich wie staubige Elefantenrücken türmen. Hier leben sie noch genauso wie vor tausend Jahren versteckt und zurückgezogen. Nur die jahrhundertealten Zedern des Chouf, mit ihren dunklen, breiten Kronen, wissen um die Geheimnisse ihres Kultes, den sie nur ihrem eigenen Blut offenbaren. Akram beschleunigt den Wagen. Bilderstaccato: Ein Flussbett im nahen Tal; Eine ältere Frau mit weißem Schleier; Kinder mit Kisten voller Äpfel; Ein alter Mercedes im Rost der Jahre; Das Gelb der Sandsteinhäuser des Dorfes nimmt uns auf. Dann halten wir urplötzlich und werden zu einer Tür geführt. In ihrem grünen, eisernen Gitter sind vier Sterne eingegossen. „Folgt mir“, sagt Akram.

    DAS ALTE BEIRUT – da, wo alles begann

    Laufen lernen

    Wir werden von den Turmglocken der nahe gelegenen Klosterkirche St. Anthony im Stadtteil Monot geweckt. Das Loft, das uns eine junge Fotografin für ein paar Tage überlassen hat, liegt noch im Halbdunkel der Blendläden zum Balkon. Draußen pulsiert – schon wieder oder noch – das Leben. Unentwegt dringt das Hupen der eiligen Autofahrer zu uns in den dritten Stock hinauf. Doch der Lärm ist nichts gegen die Bilder der gestrigen Fahrt vom Flughafen hierher. Panzerkolonnen, Straßensperren, Soldaten – Fremdkörper für europäische Augen. Dazu orientalisches Verkehrschaos, aber das hatten wir erwartet. Welche Bedenken sind nicht – genährt von Tagesnachrichten – zuhause gegen unsere Reiseplanung ins Feld geführt worden! Syrienkrieg, Clanstrukturen, Korruption, Flüchtlingsströme, Unruhen, Militärpräsenz. Jetzt sind wir trotzdem im Libanon, aber die Warnungen und Ängste sind auch mitgereist. Die Nacht zwischen Gemälden, Bücherregalen und IKEA-Lampen im schmucken Apartment hat uns Sicherheit und Vertrauen wiedergegeben. Zeit fürs Frühstück. Aber das Wasser für den Tee bleibt auch nach einer Viertelstunde auf dem E-Herd kalt. Wir testen Stecker und Anschlüsse aller verfügbaren elektrischen Haushaltsgeräte, doch nichts tut sich und wir schauen uns schulterzuckend an. Unsere erste Begegnung mit einer libanesischen Krankheit, die Land und Menschen im Griff hat: Stromausfall. Jedoch, wer braucht schon ein Heißgetränk am Morgen, zumal das Thermometer bereits auf fast dreißig Grad steht. Wie in Studentenzeiten schieben wir die Gedanken an eine erste Mahlzeit des Tages erst einmal gänzlich von uns und wagen uns hinaus auf die Straßen Beiruts!


    Reiseroute

    Die Einreise in den Libanon erfolgt über den internationalen Flughafen in Beirut von Frankfurt/M. aus. Die Fläche des Libanon ist mit ca. 10.000 qkm sogar geringer als die von Schleswig-Holstein. 6 Millionen Einwohner teilen sich den wenigen nutzbaren Siedlungsraum. Dazu kommen geschätzte 1,5 Millionen Flüchtlinge aus vergangenen und aktuellen Kriegen in den Nachbarregionen. Die größeren Städte liegen fast ausschließlich am Küstenstreifen. Das von Nord nach Süd verlaufende Libanongebirge trennt das Land in einen gebirgigen Westteil und in die östlich davon gelegene Hochebene der Bekaa. Unsere mehrwöchigen Reisen (rote gestrichelte Linien) haben wir alle mit lokalen Taxi-Unternehmen bestritten – Erläuterungen, Gesang und Flüche der Fahrer waren stets gratis inbegriffen. Einen Streifzug durch das Land findet Ihr in der folgenden KAPITELÜBERSICHT.


    Kapitelübersicht

    PROLOG
    DAS ALTE BEIRUT – da, wo alles begann
      Laufen lernen
      Frischlinge auf historischem Streifzug
      Souks gesucht
      Wenn Paläste zu Hütten werden
    WEST-BEIRUT – da, wo die Sonne untergeht
      Rot ist mein Name
      Ouzai – der Märtyrer trägt heute bunt
      Shatila – im innersten Kreis der Hölle
      Spy City
    AN DER RIVIERA – Am Strand unter Mariens Augen Limo trinken
      Eier statt Strom
      Maria ist für alle da
      #bkerke
      Camping aus Liebe
      Es war einmal… Strandurlaub in den golden sixties
      Das Geheimnis der Zitronenlimonade
      Ein krankes Herz
      Griechenland trifft Phönizien	
      Our Lady of the wind
    TRIPOLI (liegt nicht in Libyen)
      Ende einer Fahrt mit qualmenden Reifen
      1881: „Zuckerschloss öffne Dich“
      Oscars Ufofriedhof
      Die Strippenzieher des Forty-Six
      Was sonst? Die Chinesen sind schon da
      Der Kessel ist schon lange kalt
      Auf der Mauer auf der Lauer
      Der Dolch im Rücken
      Der Pilgerberg	
      Ali rennt
      Handwerk hat(te) goldenen Boden
      Libanese, Retter in der Not
    QADISHA – Der Grand Canyon der Klöster
      Die himmlische Garage
      Der Libanon liegt in Brasilien
      Geheimnis gelüftet: Wo Karl May wirklich war
      Die Zedern des Herrn
    MITTE BEIRUT – Kämpfer und Leuchttürme an der Damaskus Street
      Ich hupe, also bin ich
      Ein fremdes Leben
      Die andere grüne Grenze
      Vergessenes Leuchten im geheimen Garten
      Das große Erbe
    BEKAA – das letzte Tal Europas
      Ein Grand Hotel ohne Gäste
      Das Licht des Tages bringt die Wahrheit
      Der goldene Wein
      Die Saubermänner von Zahle
      Grenzland
      Baalbek – wo Kaiser zelten
      Die Duftmarken der Hisbollah
      Die Saat geht auf
      Hochzeit à l‘Aladdine
    BYBLOS
      Willkommen in der ältesten Stadt der Welt!
      Wo Hollywood seinen Hering aß
      Wie die Bibel zu ihrem Namen kam
      Ein Platz an der Sonne
      Der gelehrige König lernt das Schreiben
    IM LAND DER KREUZE
      Mar Charbel Superstar
      Hinter Steinmauern unter Maulbeerbäumen Frieden finden
      Auf dem Weg zur Quelle des Lebens mit Hyänen tanzen
      Von Flug-Dinos träumen und versteinerte Fische finden
      Summer in the mountains
    SIDON – Stadt der Fische
      Das Tor zur Welt
      Vom Handel und Wandel
      Diese Stadt gehört uns
      Wie die Schnecke zum Kaiser kam
      Der Fang des Tages
    TYROS – die gefallene Stadt
      Unter wachsamen Augen wachsen die Orangen
      Von den Sternen in den Staub
      Ich war hier Jesus von Nazareth
    OST-BEIRUT – da, wo die Sonne aufgeht
      Mar Mikhael – hip, hipper, Hippster
      Beirut – die Europäische?
      Die feine Gesellschaft
      Flagge zeigen in Bourj Hammoud
    DRUSENLAND – Das Schatzkästchen hinter sieben Bergen
      Von alten und neuen Emiren
      Im Volkspalast von Beiteddine
      Die Liebenden von Deir el-Qamar
      Strangers in paradise
      Als der Faden riss
      Klein, aber geheim
    CHRONIK
    LITERATUR
    
    
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